24.04.2024
Wohl kein anderes Bauprojekt in Peine hat eine derart wechselhafte und schwierige Entstehungsgeschichte wie die Hertha-Peters-Brücke – aber nun ist es soweit:
Am Mittwoch, den 24. April 2024, um 16.30 Uhr wurde der Ersatzneubau aus Stahl für die Öffentlichkeit freigegeben!
Fußgängerinnen, Fußgänger und Fahrradfahrende können sich über die Wiederherstellung der attraktiven Verbindung im Peiner Süden freuen. Wege aus den Neubaugebieten südlich des Mittellandkanals zu den Kitas, Schulen und anderen Zielen im Stadtzentrum werden einfacher und in anderer Richtung aus der Kernstadt Richtung Krankenhaus sowie zu den Naherholungsgebieten am Gräwig oder den südlichen Ortschaften und Gemeinden ebenfalls.
Für Gesamtkosten in Höhe rund 5,6 Mio €, davon Baukosten rund 5,1 Mio €, Planungs- und Nebenkosten ca. 0,5 Mio €, konnte dank der wohlwollenden Förderung des Landes Niedersachsen in Höhe von rd. 2,8 Mio € auf der Grundlage des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) der teilweise herausfordernde Weg des Projektes jetzt zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden.
Viele Bürgerinnen und Bürgern schätzten die Qualitäten dieser Fußwege- und Radfahrachse sowohl im Alltags- wie im Freizeitverkehr. Dennoch war bereits die erste sowie auch die neue zweite Hertha-Peters-Brücke vielfach Gegenstand kontroverser Sichtweisen.
Der frühere Bürgermeister Gerhard Heinze erinnerte bei der Eröffnung der ersten Hertha-Peters-Brücke daran, dass die Ideen für ein solches Bauwerk bis in das Jahr 1964 zurückreichen. So habe man Anfang der 1960er-Jahre bereits beim Bau einer Sandfanganlage am Mittellandkanal den notwendigen Raum für eine spätere Brücke eingeplant. Es dauerte jedoch bis in das Jahr 1982, bis daraus erste Pläne entstanden.
Ein Ingenieurbüro aus Hannover (Gruhl, Reißmann, Braemer und Vogel) hatte Vorentwürfe und Varianten erstellt und zwar als
a) Spannbetonbrücke,
b) Stahlüberbau im Bereich des Mittellandkanals und Stahlbeton im Bereich der B 65 sowie
c) Holzleimbauweise kombiniert mit Stahlbeton.
Die Kostenvoranschläge für diese Varianten bewegten sich damals zwischen rund 1,2 und 1,3 Millionen DM. Die Ingenieure empfahlen den Ratsgremien eindeutig die Ausführung aus Spannbeton, weil dies in der späteren Bauwerkserhaltung wenig Aufwand und wirtschaftliche Vorteile erwarten ließ. In der traditionellen Stahlstadt Peine führte solch ein Vorschlag jedoch zu Diskussionen in Politik und Öffentlichkeit und blieb nicht ohne Widerspruch.
Vor fast genau 42 Jahren folgte der Fachausschuss nur mit Vorbehalten dieser Ingenieurempfehlung. Man fasste in der Sitzung am 27.04.1982 den erweiterten Beschluss, dass auf Grundlage der vorgelegten Vorentwürfe, die Spannbetonlösung weiter zu verfolgen sei, bei der Ausschreibung jedoch Nebenangebote in Stahl und Holzbauweise ausdrücklich zuzulassen seien.
Rund fünfeinhalb Jahre später lagen die Ausschreibungsergebnisse dann zur Entscheidung vor. Das Interesse war groß. 11 Bieter hatten insgesamt 25 Angebote eingereicht (7 Hauptangebote, 10 Nebenangebote und 8 Alternativangebote).
Innerhalb des seinerzeit kalkulierten Kostenrahmens lagen nur drei Angebote – und zwar allesamt in Holzbauweisen. Die nächsten Angebote aus Stahl oder Spannbeton waren zwischen rund 42 und 50 % teurer. Die überwiegende Zahl der Angebote in Stahl, Stahlbeton oder Spannbeton lagen sogar noch deutlich höher, einige zu 100 % und mehr.
So wurde nach lebhaften Diskussionen die erste Hertha-Peters-Brücke dann tatsächlich aus Bongossi-Holz errichtet, einem tropischen Hartholz aus Kamerun, dem die Fachwelt damals hohe Widerstandskraft und Langlebigkeit bei ebenfalls geringem Bauunterhaltungsaufwand bescheinigte.
Diese Entscheidungen und die Ausführung erntete nicht überall Beifall. Das öffentliche Interesse im Jahr 1988 bei der Fertigstellung und Freigabe der langersehnten Brückenverbindung über die B65 und den Mittellandkanal war dennoch enorm groß. Aber es gab auch energische Kritik und öffentliche Kundgebungen, insbesondere von Umweltschützern, die mit Transparenten gegen die Verwendung von Tropenholz und die damit verbundenen Rodungen von Urwaldflächen protestierten.
Die damalige fachliche Einschätzung zur Haltbarkeit von Tropenhölzern erwies sich später als zu optimistisch. Denn ab dem Jahr 2010 wurde zunehmend sichtbar, dass, entgegen früherer Prognosen, auch dieses Tropenholz als Naturbaustoff durchaus Unterschiede in der Qualität und Widerstandsfähigkeit an einzelnen Bauteilen aufwies.
Zunehmender Pilzbefall wurde festgestellt, dessen Ausmaß zu kontroversen Debatten über den Handlungsbedarf führte. Es war sehr umstritten, ob Sanierungsmaßnahmen oder sogleich ein Abriss und Ersatzneubau in Angriff genommen werden sollten.
Nach einem umfangreichen teilweise streitbaren Diskurs und Entscheidungsprozess fielen am Ende im Rat dann die Würfel zugunsten der Neubaulösung.
In einem Ingenieurwettbewerb setzte sich für das neue Projekt erneut das Büro grbv aus Hannover durch, welches unter dem früheren Büronamen Gruhl, Reißmann, Braemer und Vogel bereits maßgeblich an dem Ursprungsbauwerk beteiligt war.
Der Ratsbeschluss zur Realisierung einer Stahl-Schrägseilbrücke fiel endgültig am 20. Februar 2020.
Es folgte eine Realisierungsphase mit weiteren erheblichen Schwierigkeiten überraschenden Ausmaßes. Gleich zu Beginn sorgte die Corona-Pandemie für Verzögerungen und teilweise Stillstand in Phasen des sogenannten Lockdowns, dann folgte auch noch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine seit Februar 2022.
Diese unvorhersehbaren Ereignisse sorgten für erhebliche Turbulenzen und Marktveränderungen, auch in der Bauwirtschaft und insbesondere beim Stahlbau. Einer der maßgeblichen Auftragnehmer war bedauerlicherweise sogar von einer Insolvenz betroffen und musste im laufenden Projekt ersetzt werden.
Trotz steigender Kosten und phasenweise schwieriger Begleitumstände gelang über all die Monate hinweg eine konstruktive, faire und letztlich erfolgreiche Zusammenarbeit mit allen maßgeblichen Projektbeteiligten, die heute eine feierliche Freigabe der neuen eleganten Hertha-Peters-Brücke für die öffentliche Nutzung möglich macht.
Den beteiligten Ingenieuren, Bauunternehmen und insbesondere auch der Niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr als Vertreter der Fördermittelgeber sei ganz herzlich gedankt!
Die vollständige Rede zur Übergabe der Brücke an die Öffentlichkeit finden Sie hier.
Zahlen und Daten der Brücke:
• Länge der Brücke 165 m,
Länge der Zuwegung und Rampe Süd 125 m,
Länge der Rampe Nord 40 m
• Pylon:
Höhe 34 m,
Gewicht (Stahl) 33 t
• Überbau:
Länge 165 m,
Gewicht (Stahl) 190 t
• Seillängen:
450 m,
Durchmesser der Seile 31 bzw. 40 mm
• Gesamtlänge der verbauten Netzgeländer
430 m
• Betonbohrpfähle:
10 Stück,
Gesamtlänge 90 m,
Durchmesser 60 bzw. 90 cm
• Widerlager, Fundamente, Stützwand:
insgesamt 330 m3 Beton = 825 t Beton
Zeitschiene:
• Ratsbeschluss zum Ersatzneubau und zur Beauftragung der notwendigen Planungsleistungen am
28. September 2017
• Ratsbeschluss zur Realisierung als Schrägseilbrücke in Stahlbauweise am 20. Februar 2020
• Sperrung der alten Brücke Mitte Mai 2020
• Beauftragung zum Brückenneubau an Fa. Becker im Oktober 2021
• Abriss der alten Brücke am 23. und 24. März 2022
• Betonage der beiden Widerlager im Juli und Oktober 2022
• Einhub der ersten Fahrbahnteile am 26. Juli 2023
• Aufstellen des neuen Pylons am 17. August 2023
• Einhub der letzten Fahrbahnteile am 7. September 2023, neue Brücke in voller Länge vorhanden
• Bauzeiten unter Sperrung des Mittellandkanals und der B65: 23.03.2022 (Abriss) sowie 17. und 18.08 2023 (neuer Pylon) und 07.09.2023 (Einhub über MLK)
• Freigabe am 24. April 2024
Kosten, Ausführende:
• Projektkosten 5,6 Mio €,
davon Baukosten rund 5,1 Mio €,
Planungs- und Nebenkosten ca. 0,5 Mio €
• Förderung vom Land Niedersachsen
(Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz GVFG)
2,8 Mio €
• Entwurfsplanung:
Büro grbv Ingenieure GmbH & Co. KG, Hannover, Herr Dr.-Ing Joachim Göhlmann
Herr Dipl.-Ing. Lukas Müller
• Bauüberwachung:
Büro grbv Ingenieure GmbH & Co. KG, Hannover, Herr Dipl.-Ing. Thomas Stache
• Prüfstatik :
Dipl.-Ing. Ralf Schubart, Wunstorf,
Mitarbeit Antje Prechtel
• Bauausführung
o Hauptauftragnehmer
(Betonbau, alle weiteren Leistungen außer Stahlbau):
Fa. Becker GmbH & Co KG, Meppen,
Herr Dipl.-Ing. Bernhard Schoppe,
Herr B.Eng. Julian Smolarek
o Nachunternehmer
(Stahlbau):
Fa. Züblin Stahlbau GmbH,
Betriebsteile Sande (b. Wilhelmshaven) und Hosena (Brandenburg),
Herr Dipl.-Ing. Marc Kluge
Historie: Das letzte Teilstück der neuen Brücke wurde am Donnerstag, 7. September 2023, über dem Mittellandkanal eingesetzt.
Damit erfolgte der letzte Einhubvorgang für die Errichtung der Hertha-Peters-Brücke.
Die 45 Meter lange Lücke wurde über dem Mittellandkanal geschlossen.
Das eingesetzte Teilstück der Brücke wiegt knapp 50 Tonnen. Zur Montage wurde im Vorfeld bereits ein Mobilkran südlich des Mittellandkanals aufgebaut, der das letzte Teilstück schließlich eingehoben hat. Parallel zum Einhub wurden auch die Tragseile, die künftig die neue Brücke tragen, montiert und gespannt. Der Mittellandkanal musste für die Schifffahrt während der Montage gesperrt werden.
Bis zur endgültigen Fertigstellung und Freigabe der Brücke wird noch etwas Zeit benötigt. Es werden in den nächsten Wochen die zur Brücke führenden Wege hergestellt, sowie das Geländer auf der Brücke montiert. Auch ein Treppenzugang von den Wegen entlang des Mittellandkanals zur Brücke wird noch errichtet.
Der Aufbau der Hertha-Peters-Brücke konnte am 18. August 2023, mit dem Einsetzen der beiden Brückensegmente fortgesetzt werden.
Der Kran, der für das Einheben der Brückensegmente mit Längen von 22,8 bzw. 45,7 Meter und einem Gewicht von 25 bzw. 50 Tonnen, extra für diese Arbeiten angeliefert und aufgebaut worden ist, wurde entfernt. Begleitende Verkehrszeichen und das Absperrmaterial wurden abgeholt.
Bis dahin war die Vollsperrung der B 65, zwischen dem Knoten Stahlwerkbrücke und der B 444 / Ilseder Straße, weiterhin notwendig. Sie wurde im Verlauf des Montags, 21. August 2023, wieder aufgehoben. Die Umleitung über die Braunschweiger Straße, Wiesenstraße und Ilseder Straße (bzw. in Gegenrichtung) war ausgeschildert und hatte weiterhin Bestand.
Neubau der Hertha-Peters-Brücke - der Pylon wurde am Donnerstag, 17. August 2023, aufgestellt!
Der Pylon mit einer Höhe von 34,16 Metern konnte in seine Endposition gebracht werden und ist bereits von weitem gut sichtbar. Auf der Baustelle fanden anschließend noch die notwendigen Befestigungsarbeiten statt. Das war beeindruckend und wir sagen Danke an alle auf der Baustelle Beteiligten!
Folgende Schritte folgten am Freitag, 18. August 2023:
Voraussichtlich Anfang September 2023 wird das Brückenteil über dem Mittellandkanal eingehoben. Hierfür ist einen Tag die Sperrung des Mittellandkanals für den Schiffsverkehr notwendig.
(Recht am Bild: Stadt Peine) Auf den Bildern sehen Sie die Stützen und den neuen Pylon (liegend) für den Neubau der neuen "Hertha-Peters-Brücke Peine“.